CO2-Senke wiedererstarkt

Vor zehn Jahren bef¨¹rchteten Wissenschaftler, dass die Leistung des S¨¹dlichen Ozeans, atmosph?risches Kohlendioxid aufzunehmen, ersch?pft sein k?nnte. Die Analyse neuerer Beobachtungen aber zeigt, dass diese Senke in den letzten Jahren wiedererstarkt ist.

Vergr?sserte Ansicht: Nicolas Metzl, LOCEAN/IPSL Laboratory
Ein Forschungsschiff durchst?sst bei der Messung von gel?stem CO2 im Oberfl?chenwasser die Wellen der Roaring Forties, einer Zone des S¨¹dlichen Ozeans, in der starke Winde vorherrschen. (Bild: Nicolas Metzl, LOCEAN/IPSL Laboratory)

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen: Der S¨¹dliche Ozean gleicht einer gigantischen Lunge, die im Verlauf der Jahreszeiten grosse Mengen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosph?re aufnimmt und sp?ter wieder abgibt. ?bers Jahr gesehen nehmen die Meere rund um die Antarktis aber insgesamt deutlich mehr CO2 auf als sie abgeben. Insbesondere entfernen diese Meere einen grossen Teil der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen aus der Atmosph?re. Dies verlangsamt den Anstieg dieses Treibhausgases in der Atmosph?re und d?mpft den Klimawandel. Obwohl der S¨¹dliche Ozean nur rund 25 Prozent der gesamten Meeresfl?che ausmacht, entfallen auf ihn 40 Prozent des von den Weltmeeren absorbierten menschgemachten Kohlendioxids.

Ab dem Jahr 2005 machten Wissenschaftler jedoch darauf aufmerksam, dass das S¨¹dpolarmeer ?ges?ttigt? sein k?nnte. Basierend auf Resultaten aus Modellen gingen sie davon aus, dass die Senkenleistung seit den sp?ten 1980er Jahren nicht mehr zugenommen hatte. Damit hatte die Forschung nicht gerechnet. Sie ging n?mlich davon aus, dass sich die Senkenleistung parallel zur Konzentration des atmosph?rischen CO2 entwickelt: Je st?rker die CO2-Konzentration in der Luft steigt, desto mehr CO2 wird vom Meer absorbiert.

Nun hat sich das Blatt aber wieder gewendet. Seit Anfang des Jahrtausends hat die Kohlenstoffsenke ihre erwartete St?rke wieder erreicht. Dies zeigt ein internationales Team von Forscherinnen und Forschern unter der Leitung von Nicolas Gruber, Professor f¨¹r Umweltphysik der ETH Z¨¹rich, und seinem Postdoc Peter Landsch¨¹tzer in einer Studie auf, die soeben in der Fachzeitschrift Science erschienen ist.

Neues statistisches Modell schliesst Messl¨¹cken

F¨¹r ihre Studie analysierten die Wissenschaftler Messungen der CO2-Konzentration im Oberfl?chenwasser des S¨¹dlichen Ozeans s¨¹dlich des 35. Breitengrades. Damit l?sst sich der CO2-Fluss zwischen Wasser und Luft berechnen. Die Forschenden verglichen zudem die daraus resultierenden CO2-Fl¨¹sse mit Sch?tzungen, die auf atmosph?rischen CO2-Messungen beruhen.

Die CO2-Konzentration des Oberfl?chenwassers wird im S¨¹dlichen Ozean von Forschungsschiffen oder von kommerziellen Schiffen entlang von Handelsrouten gemessen. Die Datennahme und Auswertung sind international standardisiert, die Messstrecke h?ngt aber vom jeweiligen Kurs ab, den ein Schiff einschl?gt. Dadurch sind gewisse Meeresabschnitte gut abgedeckt, weite Teile jedoch gar nicht.

Mit Hilfe einer neuentwickelten Methode basierend auf neuronalen Netzwerken, konnten die Forschenden die CO2-Konzentration des Meerwassers statistisch modellieren und dann mit diesem statistischen Modell die L¨¹cken f¨¹llen. Dazu kombinierten sie Satellitenbeobachtungen der Wassertemperatur, des Salz- sowie des Chlorophyll-Gehalts des Meerwassers.

CO2-Senke wieder hergestellt

Die interpolierten CO2-Daten im Oberfl?chenozean sowie die Absch?tzungen auf der Basis der CO2-Messungen der Atmosph?re zeigen klar auf: Ab dem Jahr 2002 begann sich die Senkenleistung des S¨¹dlichen Ozeans zu erholen. Ab 2010 war sie wieder so stark wie die Wissenschaftler aufgrund der steigenden CO2-Konzentration der Atmosph?re erwarten.

Eine wichtige Erkenntnis aus dieser Untersuchung liegt f¨¹r Nicolas Gruber darin, dass die St?rke der Kohlenstoffsenke des S¨¹dlichen Ozeans starken, m?glicherweise periodischen Schwankungen unterliegt und nicht nur dem Anstieg der atmosph?rischen CO2-Konzentration folgt. ?Diese grosse Variabilit?t hat uns ¨¹berrascht?, sagt der ETH-Professor.

Grosswetterlage beg¨¹nstigt Wiedererstarkung

Den Grund f¨¹r das Wiedererstarken der Kohlenstoff-Senke erkl?ren Gruber und Landsch¨¹tzer vor allem mit einer Ver?nderung der ?Grosswetterlage? ¨¹ber dem Untersuchungsgebiet.

So haben sich die vorherrschenden Drucksysteme seit der Jahrtausendwende zunehmend asymmetrisch verteilt. ?ber dem atlantischen Sektor des s¨¹dlichen Ozeans hat sich ein starkes Hochdrucksystem gebildet, ¨¹ber dem pazifischen Teil ein ausgepr?gtes Tiefdruckgebiet. Dadurch ver?nderten sich die damit einhergehenden Winde: Sie wehen nun wellenf?rmig statt wie in 1990er-Jahre von West nach Ost. Damals waren sie auch st?rker, was mehr Wasser aus tieferen Schichten an die Meeresoberfl?che bef?rderte. Da dieses deutlich mehr CO2 enth?lt, kam es zu einer abnormalen Ausgasung dieses Treibhausgases in die Atmosph?re. Die Senkenleistung stagnierte oder nahm sogar ab. Seit dem Jahr 2000 hat der Auftrieb in allen Teilen des S¨¹dlichen Ozeans ausser im Pazifiksektor wieder abgenommen, und die CO2-Ausgasung stoppte.

Abnormales Ausgasen gestoppt

Die Winde ver?nderten jedoch auch die Temperatur des Oberfl?chenwassers. Sie f¨¹hrten dem S¨¹datlantik warme Luft aus den Subtropen zu, was dessen Oberfl?chenwasser markant erw?rmt hat. Gleichzeitig leitete das un¨¹bliche Tiefdrucksystem ¨¹ber dem S¨¹dpazifik aussergew?hnlich kalte Luft aus dem Innern der Antarktis zu diesem Meeresabschnitt, was diesen stark abk¨¹hlte.

Das k¨¹hlere Oberfl?chenwasser des pazifischen Sektors nimmt nun mehr CO2 auf. Im atlantischen Sektor hingegen sind die Ver?nderungen der windabh?ngigen Zirkulation daf¨¹r massgebend, dass mehr CO2 im Wasser gel?st wird.

Keine Prognose f¨¹r Zukunft m?glich

Wie sich die Senkenleistung des S¨¹dlichen Ozeans k¨¹nftig entwickelt, k?nnen die Forschenden und ihr Team derzeit nicht absch?tzen. ?Unser statistisches Modell kann die k¨¹nftige Entwicklung nicht voraussagen?, sagt Peter Landsch¨¹tzer. Es sei deshalb wichtig, dass der CO2-Gehalt des Oberfl?chenwassers im S¨¹dlichen Ozean weiter gemessen werde. ?Diese Messungen sind deshalb wichtig, weil aktuelle Modelle die beobachteten Variationen nicht reproduzieren k?nnten?, erg?nzt Gruber. ?Nur anhand von langen Datenreihen k?nnen wir die k¨¹nftige Entwicklung der ozeanischen Kohlenstoffsenke zuverl?ssig bestimmen.?

Ebenfalls noch nicht verstanden ist, welchen Einfluss grossr?umige Klimaph?nomene wie El Ni?o oder La Ni?a auf die Senkenleistung des S¨¹dlichen Ozeans haben. Insbesondere f?llt auf, dass die St?rkung der Senke einhergeht mit einer Periode, die durch eher k¨¹hle Oberfl?chentemperaturen im Pazifik charakterisiert werden, in der also La Ni?a-Bedingungen herrschten. Die ozeanische Kohlenstoffsenke erstarkte ¨¹berdies in einer Zeit, in der sich auch die globale Lufttemperatur¨C der Klima-Hiatus - nur wenig ?nderte. Dies k?nnte damit zu tun haben, dass der Ozean mehr W?rme aufnahm.

Literaturhinweis

Landsch¨¹tzer P, Gruber N, Haumann FA, R?denbeck C, Bakker DCE, van Heuven S, Hoppema M, Metzl N, Sweeney C, Takahashi T, Tilbrook B, Wankinkhof R. The Reinvigoration of the Southern Ocean Carbon Sink. Science, Online Publication, 11. September 2015. DOI: externe Seite10.1126/science.aab2620

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